Leserbrief aus der heutigen MT

  • Hallo zusammen,

    hier ist für euch mein ungekürzter Leserbrief zur aktuellen Situation unseres Sportvereines, der leider aufgrund der Länge nicht in dieser Form in der MT erscheinen konnte.

    Sehr geehrte Damen und Herren,
    Den Entschluss diesen Leserbrief anzufertigen fasste ich einige Tage nach dem Erscheinen
    des Artikels „Abstieg brachte Problemfans: SV Meppen und Polizei arbeiten bei Risikospielen
    eng zusammen“. Nach der ersten Zeit des müden Belächelns und der Frage, wie man bitte
    auf solche Daten und Informationen kommt, wuchs in den darauffolgenden Tagen in mir der
    Drang, der Öffentlichkeit auch mal die Gegenseite zu präsentieren.
    Zu meiner Person: Ich bin 21 Jahre alt, Student, seit 1996 Mitglied im Sportverein Meppen
    und spiele dort auch zur Zeit aktiv Fußball im Herrenbereich. Im Übrigen bin ich ein
    Gründungsmitglied der Fangruppierung „Youngstars Meppen“ und damit Teil der Szene
    Meppen, die als Dachverband der Fans fungiert. Ich sehe seit 6 Jahren regelmäßig so gut wie
    alle Heim- sowie Auswärtsspiele, investiere viel Geld und Zeit in diese Leidenschaft, sei es die
    Fahrtkosten für den Bus sowie lange Abende und Nächte zum Vorbereiten von
    Choreographien und Fanartikeln zur Unterstützung meines Vereins. Ich möchte im Stadion
    meine Emotionen ausleben. Wie man sieht, lebe und leide ich seit 15 Jahren mit diesem
    Verein und kann mit Fug und Recht behaupten, dass ich eine qualitative Einschätzung zu den
    aktuellen Geschehnissen geben kann.

    [1/2]

  • Zuallererst ein kleiner Rückblick auf den Monat September: Lange hatte man darauf
    gewartet, endlich war es soweit. Das Pokalspiel gegen Osnabrück stand an. Zwei ganze
    Wochen verbrachte die gesamte Fanszene damit, die bisher aufwendigste Choreographie, die
    es jemals in Meppen gab, anzufertigen. Ich für meinen Teil war unglaublich stolz, als man
    diese zum Einlauf der Mannschaften präsentierte und am Dach der alten Tribüne hochzog.
    Vielen anderen Helfern, die mit Herz und Seele dabei waren, ginge es genauso. Und ja, das
    waren diese berüchtigten „Ultras“. Die negative Konnotation dieses Begriffes schiebe ich
    immer noch auf die Unwissenheit der Allgemeinheit über diese Subkultur. Diese
    Jugendlichen, die sich in den Fangruppierungen „Amisia Ultra Meppen“ sowie „Banausen“
    organisieren, sind keinesfalls die gewaltbereiten, rechtsradikalen Schläger, wie es zum Teil
    von den lokalen Medien verbreitet wird, nein, es sind Jugendlich im Alter von 16 – 25 Jahren,
    denen der Verein und die Repräsentation des selbigen am Herzen liegt und für die es zum Teil
    Hobby, zum Teil Lebenseinstellung ist. Hunderte von Euros gehen jährlich von den Konten der
    Jugendlichen zur Unterstützung ihres Vereins drauf, sei es zur Finanzierung von Busfahrten
    oder zur Herstellung von Fahnen. Es sollte klar werden, dass man von dem Verein keine
    finanziellen Zuwendungen erwartet, man möchte unabhängig bleiben. Alleine die
    Choreographie des Osnabrückspiels kostete um die 1000€, was in Eigenaufwand
    aufgetrieben wurde. Ich hoffe es wird deutlich, was wir, der Teil der aktiven Fanszene, auf die
    Beine stellen und was wir damit erreichen wollen. Knapp 2 Wochen später spielt man gegen
    den Lokalrivalen VfB Oldenburg, ein sehr prestigeträchtiges und emotionales Duell, welches
    sich über die letzten Jahre immer mehr bemerkbar machte. Vor Anpfiff kam es zu einer
    Aktion, bei der sich Meppener Anhänger auf den Gästeblock zu bewegten, um die
    Oldenburger Anhänger zu provozieren. Es handelte sich zu dem Zeitpunkt um eine verbale
    Auseinandersetzung, es kam zu keinem physischen Schaden, da ein Betreten des Gästeblocks
    von der Tribünenseite überhaupt nicht möglich ist. Objektiv gesehen haben einige Leute dort
    über sie Strenge geschlagen und es war mit Sicherheit keine gutzuheißende Aktion, jedoch
    stellte das darauf Folgende vieles in den Schatten. In einem Polizeikessel wurden 21
    Meppener festgehalten, komplett durchsucht und im Anschluss auf die Polizeiwache
    gefahren, um dort ca. 3 Stunden in einer Sammelzelle zu verharren. Einige Tage später
    erhielten die betroffenen Personen ein Schreiben des SVs, in dem ein örtliches Stadionverbot
    ausgesprochen wurde. Auffällig ist dabei die unterschiedliche Dauer dieser Verbote, die alle
    wegen des gleichen Vergehens ausgesprochen wurden. Außerdem kritisiere ich die
    Vorgehensweise des Vereins in diesen Dingen. Zur Klärung: Die Polizei gibt Empfehlungen zu
    Stadionverboten, der Verein spricht sie aus. Es wird zu keinem Zeitpunkt der Dialog zwischen
    Verantwortlichen und Geschädigten ermöglicht, Betroffene sind zum Teil eben jene
    Jugendliche, die sich Woche für Woche für den Verein über den Spieltag hinaus einsetzen,
    die jetzt ohne Kompromiss ausgesperrt werden. Jugendliche, die über die Szene Meppen
    enge Freunde gewonnen haben, ihre Kreativität ausleben können, Gemeinschaft verstehen
    und genießen und für die der SV Meppen ein zentraler Punkt in ihrem Leben ist.
    Nu zu dem am 12.10.2012 erschienenen Artikel „Abstieg brachte Problemfans“. „Die
    Meppener Polizei schätzt die Zahl der gewaltgeneigten SVM-Fans auf 100 bis 150. „Es
    handelt sich nicht um Althooligans, sondern um 14- bis 30-Jährige. [..] junge, erwachsene
    Männer, für die die Krawalle drum herum das Event sind. [..] Man verabredet sich irgendwo,
    prügelt sich und geht seiner Wege.“ Woher die Polizei solche Zahlen hernimmt, ist mir
    schleierhaft. Ich, als Kenner der Szene Meppen, kann behaupten, dass diese Zahlen in
    keinster Weise stimmen. Die aktive Fanszene beschränkt sich auf weniger als 40 Personen,
    die man auch keinesfalls als gewaltgeneigt betiteln kann. Seit Beginn der Saison haben wir
    sehr große Probleme, selbst einen einzigen Bus zu Auswärtsspielen zu füllen, wofür die
    sportliche Misere ihr Übriges dazu tat.
    An diesem Punkt angelangt möchte ich die Berichte der letzten Tage ihrer Zeitung sowie den
    Zeitraum vor dem Lübeck-Spiel betrachten. Mir kommt es so vor, als ob man anstatt von der
    alarmierend schlechten sportlichen Situation unseres sogenannten „Flagschiff des
    Emslandes“ lieber über die angeblichen Fanausschreitungen berichtet, die nun gut einen
    Monat zurückliegen. Dies ist aus meiner Sicht mal wieder typisch SV Meppen. Anstatt sich
    der Öffentlichkeit zu stellen und der Lage Herr zu werden, flüchtet man sich diesmal in die
    gezielte Diffamierung und Isolation der Meppener Fanszene. Wann werden unsere Mühen
    und Arbeiten mal positiv hervorgehoben? Wo wird unsere Einsatzfreunde, Motivation und
    wo wird unser Engagement gelobt? Nirgendwo! Die Kommunikation zwischen Verein und
    Fans findet einfach nicht statt, weder im Positiven wie die akustische und optische
    Unterstützung der Mannschaft noch im Negativen, wenn wieder einmal überzogene
    Stadionverbote ausgestellt werden und somit einigen Jugendlichen ihr Hobby genommen
    wird. Fußball ist Emotion, gerade in Meppen! Der Verein wirbt selbst mit dem Leitspruch
    „Seele der Stadt – Stolz der Region! Ein Verein voller Leidenschaft und Emotion!“, der aus der
    Feder der Fanszene stammt, für die Ausstellung in der Arenberg‘schen Rentei sowie für die
    Festlichkeiten der 100-Jahr-Feier. Und was ist der Dank dafür? Aufgrund von einigen
    Ausreißern wird die gesamte aktive Fangemeinschaft, die sich auf Jahre entwickelt hat, mit
    Füßen getreten und an den Pranger gestellt. Wenn ich diese Berichte lese, fühle ich mich wie
    ein Dorn im Auge des Vereins, aber wenn der Vorstand weiterhin Spiele ohne Stimmung
    sowie Einsatz auf Seiten der ultraorientierten Fanszene will, sollte er in seiner
    Öffentlichkeitsarbeit wie bisher weitermachen. Ich habe selbst im Laufe des heutigen Tages
    unabhängig von mehreren Leuten aus unseren Fangruppierungen gehört, dass sie für diesen
    Verein keine weitere Mühen und Geld verschwenden werden und ehrlich gesagt, tendiere ich
    auch dagegen sämtliche Bemühungen einzustellen, wenn man weiterhin als Gewalttäter
    sowie neuerdings auch als rechtsdenkender Mensch öffentlich in den Medien zur Schau
    gestellt wird. Auf den letzten Punkt möchte ich noch gesondert eingehen. Es ist für mich
    unbegreiflich, wie die eine mögliche neue Stadionordnung für Deeskalation sorgen sollte,
    wenn man explizit Verbote für ein „Erscheinungsbild [im] Stadion, das nach objektiver
    Auffassung eine rassistische, fremdenfeindliche, gewaltverherrlichende, diskriminierende,
    demokratiefeindliche und verfassungsfeindliche Einstellung dokumentiert“ ausspricht.Es ist
    sogar zu lesen, dass Körperschmuck dazu zählt. Uninformierten gegenüber muss diese
    Erneuerung als Botschaft zu verstehen sein, dass sich im Stadion, besonders in der Fanszene,
    Rechtsradikale in großer Anzahl aufhalten. Ein Schlag ins Gesicht jedes aktiven Meppenfans.
    Ich kann bestätigen, dass die Gruppierung „Amisia Ultra“ sowie das Umfeld gegen Rechts
    eingestellt gsind und jegliche, zum Glück sehr selten vorkommende, Rufe oder Sprüche, die
    in diese Richtung gehen, ausnahmslos und direkt unterbinden. Ich bin mir immer noch
    bewusst, dass es auch Ausnahmen gibt, aber ich kann für den absoluten Großteil der Szene
    sprechen, indem ich versichere, dass es in der Meppener Fanszene kein Nazi-Problem gibt.
    Somit wird hier auch wieder deutlich, dass grade in der aktuellen Situation die sportlichen
    Geschehnisse aus dem Rampenlicht treten und sich zurzeit darauf fokussiert, dies mit
    anderen „Problemen“ zu übertünchen. Im Folgenden heißt es in dem Artikel noch „Als ein
    positives Beispiel von friedlicher Jugendarbeit führte er das Fan-Projekt des städtischen
    Jugendpflegers an“. Dies ist ebenfalls ein einfach nur haltloses Beispiel, da in Meppen kein
    Fan-Projekt vorhanden ist.
    Ich bin maßlos enttäuscht, dass so etwas gerade im Jubiläumsjahr eines traditionsreichen
    Vereins alles passiert. Was jeder Leser des Briefes davon hält, bleibt einzig und allein ihm
    überlassen, allerdings möchte und kann ich nicht in gewohnter Art und Weise wie bislang
    weitermachen. Wenn sich nicht sehr bald etwas ändert, stirbt die Jugendsubkultur Ultra
    sowie die gesamte Meppener Fanszene aus. Die Bedeutung dessen kann sich jeder selbst
    vorstellen. Einigen wird es passen, dass der ,Dorn im Auge‘ verschwunden ist, langfristig
    jedoch schadet sich der Verein damit ungemein selbst.

    [2/2]

  • an hätte übrigens bei der Frage nach der angeblichen Rechtsoffenheit der Meppener Fans auch noch den Bericht des Niedersächsischen Innenministeriums von vor zwei Jahren erwähnen können, den ich selber leider so schnell auch nicht wiederfinde. . Darin hieß es sinngemäß und aus dem Gedächtnis rekonstruiert: "Eine Verbindung der Meppener Fans zur rechtsradikalen Szene kann nicht festgestellt werden. Eine solche Szene existiert in Meppen auch nicht".

    Ansonsten guter Leserbrief, der von der MT in einer Länge abgedruckt wurde, die ich so nicht erwartet hätte.


    Trotzdem muss man sagen: Schlau war die Aktion gegen Oldenburg nicht. Und irgendwie finde ich persönlich auch, dass Provokationen dieser Art gegen die anderen Fanszenen reichlich pubertär wirken und den tollen Eindruck der Choreo etwas schmälern. Trotzdem ist das sicherlich noch kein Grund, von Vereinsseite aus so überzogen zu reagieren.

    Zwei Fragen hätte ich in diesem Zusammenhang dann doch:
    1) Für wie lange sind die Stadionverbote ausgesprochen worden?
    2) Hat der Verein nach dem Spiel in irgendeiner Weise den Dialog mit den Fans gesucht?

    MFG

  • 1. Einige bis Januar. Andere bis zum Sommer.
    2. Nein, in keiner Hinsicht.

  • Dieser Brief spricht mir aus dem Herzen...

    Gab es schon Reaktionen in irgendeiner Form auf diesen guten Leserbrief?

    Vom Verein, von den Medien, vllt der MT selbst, oder anderen Teilen der Fans?

  • 1. Einige bis Januar. Andere bis zum Sommer.
    2. Nein, in keiner Hinsicht.

    1. Dass das unterschiedliche Maß, mit dem da gemessen wird, eigenartig ist, ist ja zu Recht bereits bemerkt worden.
    2. Die extrem schlechte Öffentlichkeitsarbeit des Vereins spiegelt sich auf anderer Ebene als in der nicht vorhandenen Kommunikation mit der aktiven Fanszene wider. Traurig. Die Strukturen im Verein sind so amateurhaft, dass man von einem mittelfristigen Aufstieg in die dritte Liga nicht mal mehr träumen sollte.

  • Die Stadionverbote sind total überzogen und ich kann nur hoffen,dass der Verein sie zurücknimmt.

    Habe am Wochenende in der taz einen interessanten Artikel gefunden,der zum einen über die Machenschaften der DFL,zum anderen über den Zusammenhalt von Verein und Fans bei Union Berlin berichtet.
    http://www.taz.de/Streit-um-Stadionsicherheit/!104369/

    Sicherheit im Stadion ist das eine,wie man damit umgeht ist ein Prozess,der nicht durch einfaches aussperren gelöst wird.

  • Zunächst einmal: Die Aktion beim Oldenburg Spiel war peinlich und dumm.
    Ob und inwieweit die Stadionverbote gerechtfertigt waren, kann ich
    allerdings kaum beurteilen. Waren Wiederholungstäter dabei? Waren Leute
    dabei, die zum ersten Mal aufgefallen sind? Gibt es bei den Längen der
    Stadionverbote dahingehend irgendwelche Zusammenhänge? Für mich als
    Außenstehenden ist das alles nicht eindeutig ersichtlich, wer jetzt
    Recht hat.

    ABER: Die Außendarstellung das Vereins ist im Moment
    einfach noch peinlicher. Dazu gehört auch, dass sich keiner mit den Fans
    auseinandergesetzt hat. Wenn die Polizei Druck gemacht hat wegen der
    Stadionverbote, hätte man trotzdem noch, nachdem diese ausgesprochen
    wurden, das Gespräch mit der Szene suchen können.

    Es braucht
    sich wirklich niemand vom Verein zu beschweren. Für Event-Fans ist die
    Leistung einfach zu schwach, Die-Hard Supporter (bzw. ich nenns mal
    "Gewohnheitsbesucher" ;)
    ) kommen sich langsam verarscht vor. Ich denke mal, die Zuschauerzahl
    vom GS-Spiel wird erstmal die Regel bleiben (wenn überhaupt).

    Mein erstes Mal:

    SV Meppen - Union Solingen 1:1 (0:0)
    2.Liga 1987/1988, 15. Spieltag
    17.10.1987, 15:00 Uhr
    Hindenburg-Stadion (!) Meppen, 4500 Zuschauer

    0:1 Biernat 51.
    1:1 Werner Rusche 76.

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